Michael Kornhäusel arbeitet seit knapp 30 Jahren im Wohnhaus Casalgasse und ist seit über 25 Jahren Betriebsrat. Er wird im Herbst in das neue Wohnprojekt in Reininghaus wechseln und spricht über generationenübergreifendes Arbeiten, den familiären Charakter im Wohnbereich und Veränderungen als Motor.

 

Wann genau hast du angefangen, im Wohnhaus Casalgasse zu arbeiten?                                 

Das war im Juni 1991. Das Haus stand kurz vor der Eröffnung und wir haben davor im Rahmen eines Urlaubsturnus am Stubenbergsee eine Kennen lern-Zeit mit den zukünftigen Kundinnen verbracht.

Kannst du dich noch an eine besondere Situation in der Begleitungsarbeit mit Kundinnen erinnern?

Ja. Das war mit einem Kunden, vorangeschrittenen Alters, der zu uns in die Casalgasse gezogen ist. Gesundheitlich ist es ihm nicht mehr ganz gut gegangen und nach einer nicht allzu langen Zeit ist er dann in seiner Wohnung zusammengebrochen. Ich bin mit ihm dann ins Krankenhaus gefahren, wo er dort dann verstorben ist. Das war für mich ein bewegender Moment, als er dort auf dem Sterbebett gelegen ist. Die Ärzte haben mir noch etwas Zeit mit ihm gegeben und ich konnte meine Hand noch auf sein Herz legen und mich gebührend von ihm verabschieden.

Das kann sehr herausfordernd sein und ist doch auch etwas belastend, oder?

Nachdem ich mich auch sehr mit Trauerarbeit beschäftige, war das für mich ein ganz bewegender und auch schöner Moment, für den Menschen nochmals da zu sein. Natürlich gab es auch Momente, speziell bei Urlaubsaktionen, wo man mit unseren KundInnen kompakt viel Zeit verbrachte und sie wirklich kennenlernen konnte. Oftmals verrichtet man seine Dienste und hat nur wenig Zeit dafür.

Heißt das, dass der Bereich Wohnen für dich einen familiären Charakter hat bzw. diesen sogar braucht? Im Sinne von Beziehungsarbeit zwischen Begleiter und Kunden?

Ja absolut. Ich rede immer von der Qualität im Wohnen. Da geht’s stark um Rahmenbedingung, damit die Arbeit gut funktioniert. Ich denke mir, wenn das Drumherum passt, dann entsteht eben wirklich so ein familiärer Charakter. Es spielen natürlich anderer Faktoren auch eine Rolle, wie zum Beispiel Fluktuation. Wenn die zu hoch wird, geht natürlich dieser familiäre Charakter auch verloren.

Wie haben sich die Arbeitsbedingungen im Vergleich zu heute verändert?

Das ist klarerweise eine sehr spannende Frage. Damals konnten wir noch sehr viel mehr mitgestalten, was etwa die Dienstpläne betrifft. Früher wurden wir noch Lebensbegleiter genannt, da wir unsere KundInnen sowohl im Wohnen als auch im Tagesbereich begleitet haben. Das hat sich über die Jahre alles sehr verändert, vor allem als es zu dieser Trennung zwischen Wohn- und Tagesbereich gekommen ist. Von dort an haben sich natürlich auch die Dienstpläne verändert und die Ressourcen sind im Wohnbereich immer knapper geworden. Unsere pädagogischen Inhalte sind etwas in den Hintergrund gerückt sind. Ich will jetzt nicht sagen, dass es sich nur mehr aufs waschen und kochen reduziert hat, aber es ist mehr und mehr zum Schwerpunkt geworden.

Du bist ja jetzt schon 29 Jahre in diesem Bereich tätig und gehörst mittlerweile wohl doch schon zum älteren Kollegenstamm. Was zeichnet die Zusammenarbeit mit jüngeren KollegInnen aus?

So ist es (lacht)! Der Großteil meiner KollegInnen ist jünger als ich, diese Entwicklung ergibt sich mit den Jahren. Das lässt sich nicht vermeiden. Das wichtigste für mich ist es, junge KollegInnen, die frisch von der Ausbildung oder von anderen Einrichtungen zu uns ins Wohnhaus kommen, erst einmal herzlich willkommen zu heißen. Natürlich, junge KollegInnen brauchen oftmals eine gewisse Zeit, um einmal richtig anzukommen und sich an das Umfeld zu gewöhnen. Da war es mir immer wichtig, ihnen auch die Möglichkeit zu geben, sich mehr und mehr selbst einzubringen und ihre Meinungen, Ideen und Innovationen ins Team mit einfließen zu lassen. Das generationengerechte Arbeiten ist für mich so ein wichtiges Thema und da hab für mich eine kleine Formel, die ich mir immer wieder vor Augen halte: Jung + alt = Erfolg. Was ich damit sagen möchte ist, wirklich auch diese Energie, die Dynamik und die Flexibilität der jungen KollegInnen mit der Erfahrung der Älteren in Verbindung zu bringen. Wenn das gut funktioniert, kommen unterm Strich ein gutes Arbeitsklima und eine gute Qualität zustande. Das sollte sich durchs gesamte Unternehmen wie ein roter Faden durchziehen.

Wie gehst du mit immer wiederkehrenden Veränderungen im Arbeitsalltag um?

Es ist schon wichtig, selbst auf guten Beinen zu stehen und sein persönliches soziales Umfeld als Fundament zu betrachten. Egal, ob das Freunde oder die Familie sind, das sehe ich als Kraftquelle, wo ich immer gut neue Energien schöpfen kann. Es spielen natürlich auch andere Faktoren mit. Für mich ist dieses Betätigungsfeld mehr Berufung als Beruf bei dem Veränderungen schlichtweg notwendig sind, um nicht abzustumpfen. Ich wurde immer wieder gefragt, wie ich es so lange in demselben Wohnhaus aushalte? Meine Antwort war da: In der Casalgasse sind immer wieder so viele Veränderungen passiert, dass ich nie das große Bedürfnis gehabt habe, in eine andere Einrichtung zu wechseln. Ich habe in diesen 29 Jahren sozusagen in einem gewissen Ausmaß Veränderungen immer mitgestalten können. Das hat sich natürlich in den letzten Jahren schon massiv weiterentwickelt. Der Zug fährt jetzt schneller.

Du startest jetzt im neuen Wohnprojekt „Reininghaus“ nochmals neu durch. Welche Wünsche bzw. Erwartungen hast du an das neue Projekt?

Das ist für mich jetzt natürlich eine Veränderung größeren Kalibers. Ich hab in den letzten Monaten mehr und mehr mit diesem Projekt geliebäugelt. Ich spüre viel Motivation, dort meinen Erfahrungen einzubringen. Bis zur Eröffnung wird sicherlich ein gewisser Stress entstehen, da kommt vieles auf uns zu. Wenn es dann um die Umsetzung des neuen Projektes geht, wünsch ich mir eine gute Dienstplangestaltung, ausgehend von einer guten Zusammenarbeit mit unserer neuen Einrichtungsleitung. Das ist ganz was essenzielles, ein Fundament auf dem man aufbauen kann. Da reden wir von Dienstzeiten, die auch Platz für Regeneration lassen sollen. Weiter erwarte ich mir vom Team insgesamt, das wir unsere Kommunikation gut leben, Feedback-Regeln einhalten und offen aufeinander zugehen.

Wie siehst du da den Unterschied zwischen den Wohnstrukturen in einem großen Wohnhaus und dem Begleitungsauftrag in kleineren Privatwohnungen unserer Kundinnen?

Der/Die BegleiterIn hat da natürlich eine andere Rolle, um an den anfangs genannten Familienaspekt anzuschließen. Das wird eine Herausforderung, den pädagogischen Auftrag hier neu zu denken. Ich halte das inklusive Wohnen insgesamt für eine richtige Entwicklung. Es bringt aber auch Gefahren mit sich, zum Beispiel, wenn Einsamkeit bei unseren KundInnen ein Thema wird. Es ist ja so wie bei uns. Wenn wir in einem Haus am Land leben, haben wir mit unseren Nachbarn und auch diejenigen, die 100 Meter weiter weg wohnen mehr sozialen Kontakt als in einem Großbau in der Stadt, wo wir oft nicht wissen wer neben uns wohnt. En spannendes Thema, das auch für unsere Arbeit wichtig sein kann.

Wir wünschen dir alles Gute für den Wechsel und eine schöne letzte Dekade in deinem Arbeitsleben, wenn man das so sagen kann.

Ja, danke. Ich freu mich drauf!