Teilzeit muss mehr wert werden
Eine Erhebung von GPA-djp und vida zeigt, dass die überwiegende Mehrheit der Beschäftigten im Gesundheits- und Sozialbereich – unabhängig davon, ob diese derzeit voll- oder teilzeitbeschäftigt sind – 30 Stunden in der Woche arbeiten möchte. Aus der jeweiligen Perspektive betrachtet hat das gute Gründe.
Wenn z. B. eine Heimhilfe bei 19 Stunden – also 50 % der Normalarbeitszeit, was durchaus im üblichen Rahmen der tatsächlichen Beschäftigungsverhältnisse liegt – gerade einmal knapp über 1.000 Euro brutto verdient, dann ist klar, warum diese KollegInnen mehr arbeiten wollen. Von solch einem Lohn kann nämlich schlicht und einfach niemand leben.
Vollzeitbeschäftigte hingegen leiden nicht nur unter einem ohnehin schon hohen und ständig steigenden Arbeitsdruck, sondern leisten im Gesundheits- und Sozialbereich psychische Schwerstarbeit. Das halten die meisten keine 38 Stunden in der Woche ohne langfristige Folgeerkrankungen aus. Allein schon, dass der Gesundheits- und Sozialbereich bei den Berufen mit der höchsten Burn-out-Gefährdung entsprechend einer Erhebung der Interessengemeinschaft Social in der GPA-djp mit an der Spitze liegt, spricht dabei eine deutliche Sprache.
In manchen Berufsgruppen gibt es trotz gegenteiliger Behauptungen der SWÖ weitaus mehr ausgebildete Fachkräfte als offene Stellen, was z. B. für den Bereich der Pflege Auswertungen aus dem Gesundheitsberuferegister garantiert beweisen werden.
In anderen Berufsgruppen beginnt oft nicht einmal ein Viertel der ausgebildeten Fachkräfte, überhaupt im erlernten Beruf zu arbeiten, was z. B. für ElementarpädagogInnen gilt. Dabei handelt es sich um die Folge einer vollkommen verfehlten Ausbildungspolitik. Einerseits sind die meisten von uns mit 15 Jahren nicht wirklich imstande, sich vorzustellen, wie der Arbeitsalltag in einem bestimmten Beruf in fünf Jahren konkret aussehen wird. Andererseits werden viele während der praktischen Ausbildung von der immensen Kluft zwischen Theorie und Praxis abgeschreckt.
Tatsächlich kennt fast jede und jeder von uns Beispiele von hochqualifizierten KollegInnen, die sagen: „Um die paar Euro tu ich mir diesen Stress und Druck und die enorme Verantwortung für die Menschen, mit denen ich arbeite, schlicht und einfach nicht mehr an. Da geh ich lieber zum [x-beliebiger internationaler Konzern einsetzen] und verdien’ für eine lockere ‚Hockn‘ in der Verwaltung 50 % mehr.“
Oft handelt es sich dabei nicht um KollegInnen, die sich prinzipiell nie mehr vorstellen können, in ihrem Beruf zu arbeiten. Sonst würden sich z. B. diplomierte Pflegepersonen nicht ins Gesundheitsberuferegister eintragen lassen, obwohl sie ihren Beruf (derzeit) nicht ausüben. Es geht also um die derzeitigen Arbeitsbedingungen.
Es gibt sie – die tausenden und abertausenden KollegInnen, die trotz hervorragender Ausbildung sagen: Nicht zu diesen Bedingungen. Eine zentrale davon ist die Arbeitszeit. GPA-djp und vida sind davon überzeugt, dass mehr KollegInnen länger im Beruf bleiben – oder sogar in diesen zurückkehren – werden, wenn die Kombination aus Arbeitszeit und Einkommen eine bessere wäre. Eine Arbeitszeitverkürzung auf 35 Stunden bei vollem Lohn- und Personalausgleich wäre folglich auch ein wichtiger Beitrag gegen den laut Massenmedien, ExpertInnen und PraktikerInnen in Zukunft drohenden Pflegenotstand.
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